"Wir sind für alle Kinder da!"

 

Der Schwabinger Kinderarzt Dr. Mathias Wendeborn hat die Hilfsorganisation REFUDOCS gegründet, die medizinische Leistungen für Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen anbietet. Von der politischen Stimmung will er sich nicht unterkriegen lassen, und für den in Schwabing entstehenden KinderCampus meldet er bereits sein Interesse an.

Herr Dr. Wendeborn, wie kamen Sie auf die Idee zu REFUDOCS?

 

 

 

 

2013 las ich Berichte über die Zustände in der Bayern-Kaserne, die mich aufwühlten, und wenig später erhielt ich eine Rundmail des Staatsministeriums mit einer Einladung zu einem runden Tisch. Es zeigte sich dort, dass es in Bezug auf medizinische Versorgung der Flüchtlinge noch kein Konzept gab.

Ich war irritiert, zumal die Willigen unter den medizinischen Experten ja der Einladung gefolgt waren. Ich sammelte dann deren E-Mail-Adressen und machte mich an ein Konzept für die medizinische Versorgung in Erstaufnahmeeinrichtungen. Ich lud dann die Fach-Kollegen in einer Gaststätte ein und besprach mit ihnen, was sie brauchen als Basisausrüstung für eine Bereitschaftspraxis. Das Konzept schickte ich dann an die zuständige Regierungsstelle bzw. das Ministerium – und hörte über ein Jahr leider nichts mehr. Auch nicht von einer ganzen Reihe anderer Stellen, denen ich das Konzept auch geschickt hatte.

 

Wie kam es dann zur Gründung von REFUDOCS?

Das dauerte dann bis zur großen Krise 2015. Oberbürgermeister Dieter Reiter ließ die Bayern-Kaserne wegen der unhaltbaren Zustände dort schließen, und das Staatsministerium erinnerte sich an unser Konzept. Es gab eine Krisensitzung, zu der ich  dazu kommen sollte. Ich wiederholte unser Angebot, das darauf hinauslieft: Wir organisieren Euch das, wir brauchen von Euch nur einen Raum und eine Krankenschwester.  Das war aber aus diversen bürokratischen Gründen auch nicht machbar. Für die Umsetzung war dann die Gründung eines Vereins nötig, das war die Geburtsstunde von REFUDOCS.

 

Das heißt, Sie haben die medizinische Versorgung von Kindern in der Bayernkaserne organisiert?

Ja, nicht nur von Kindern, und später auch in weiteren Erstaufnahmeeinrichtungen. Wir stellten ein Team aus Ärztinnen und Ärzten, Helferinnen und Dolmetschern zusammen, die z.T. ehrenamtlich nach einem freien Dienstplan Bereitschaftsdienst übernahmen. Die Honorare bzw. die Aufwandsentschädigung zahlt der Staat, die Rechnung stellt der gemeinnützige Verein.

Gibt es spezielle medizinische Themen in der Flüchtlings-Erstaufnahme?

Anfangs waren es viele körperliche und seelische Folgen der Flucht und der widrigen Bedingungen, Jetzt sind die Erkrankungen denen der einheimischen Patienten sehr ähnlich. Allerdings gibt es immer noch Besonderheiten, sowohl medizinisch als auch im Umgang mit Krankheit, Gesundheit und in der Kommunikation  Wir haben auch viele Schwangerschaften, was bei Afrikanerinnen wegen einiger medizinischer Besonderheiten und manchmal auch wegen Genitalverstümmelung problematisch sein kann. Impfungen sind ein ständiges Thema und auch die ein oder andere Tropen-Infektion, Malaria zum Beispiel. Ansonsten haben Flüchtlinge dieselben Krankheiten wie wir alle.

Wie verständigen Sie sich mit ihnen?

Nigerianer zum Beispiel sprechen sehr gut englisch in der Regel. Wenn es nicht geht, haben wir in der Regel Dolmetscher dabei.

Weshalb engagieren Sie sich so für Flüchtlinge?

Ich habe einfach den Bedarf gesehen und die vollkommen unwürdigen Zustände. Ich will das nicht politisieren, aber wenn wir drei Millionen Menschen in zwei Wochen beim Oktoberfest bewirten können, dann müssen wir auch ein paar zehntausend Flüchtlinge im Jahr mit ihren Kindern medizinisch betreuen können.

Was ist Ihr nächster Plan?

Wir würden gern mit den Spenden, die wir eingesammelt haben, eine kleine Beratungs-Praxis im Sinne einer Clearing-Stelle aufmachen mit einem Gratisangebot für Migranten. Im Idealfall zusammen mit anderen sozialen Trägern

Wieso eigentlich gratis?

Weil es zwischen diesen Menschen und unserer Gesundheitsbürokratie eine ziemlich hohe Sprach- und Kulturbarriere gibt. Wir haben eine Umfrage gemacht unter unseren Patienten und auch unter den niedergelassenen Ärzten. Am belastendsten sind nicht die medizinischen Themen, sondern das Zurechtkommen im Gesundheitssystem, die Bürokratie, , die Sprachbarriere und die wenige Zeit, die zur Verfügung steht,

Das wäre doch was für den entstehenden KinderCampus in Schwabing, oder?

Ja unbedingt! Wir verfolgen dieses Projekt sehr intensiv und würden  wenn es hier eine Möglichkeit gibt, gern dabei sein. Die Konzentration von sehr verschiedenen kindermedizinischen Angeboten rund um die Kinderklinik Schwabing halten wir für sehr erfolgversprechend. Insbesondere für die Migrantenkinder und ihre Eltern

Wie beobachten Sie die Stimmung in der Bevölkerung, hat sie sich seit 2015 wesentlich geändert?

Ja leider und zwar eindeutig zum Negativen. Es gibt immer noch viele Menschen, die sich für Flüchtlinge engagieren, aber auch viele, die uns ´die Rechnung aufmachen: Was macht Ihr für die, und was wird für uns gemacht. Vor allem aber ist die Politik viel restriktiver geworden, der sind wir jetzt manchmal sogar ein Dorn im Auge. Da wir aber alle rein fachlich, medizinisch rangehen, werden wir uns auch nicht unterkriegen lassen. Das Menschenrecht auf Gesundheit muss weiterhin für Alle gelten.

Interview: Gerd Henghuber
www.henghuber.de

 

Mehr über das Projekt:

Der Verein REFUIDOCS engagiert sich für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen, Asylsuchenden und deren Kindern. Seit der Flüchtlingskrise 2015 hat er es sich zur Aufgabe gemacht, die kommunalen bzw. staatlichen Institutionen zu unterstützen bzw. in deren Auftrag tätig zu werden Als erstes Projekt wurde die medizinische Versorgung in der Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne in München realisiert, nachdem die normalen Versorgungsstrukturen vor Ort und in der unmittelbaren Umgebung die Flut der Patienten nicht mehr bewältigen konnten. REFUDOCS organisiert heute mit einem Pool von ärztlichen und nichtärztlichen Helfern ein Angebot in den Bereichen Allgemeinmedizin, Gynäkologie, Psychiatrie und Pädiatrie in Form einer fachübergreifenden Bereitschaftspraxis an verschiedenen Standorten.

Mehr Informationen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

HELFEN MACHT GLÜCKLICH