Kindermedizin zwischen wirtschaftlichen Zwängen und emotionaler Fürsorge

24.09.2019 - "Bestimmen wirtschaftliche Zwänge die Medizin für unsere Kinder", fragte die Stiftung Kinderklinik Schwabing im Rahmen einer hochranging besetzten Podiumsdiskussion. Nach einem Impulsvortrag zum Thema von Dr. Annic Weyersberg, Leiterin der Forschungsstelle Ethik sowie des Cologne Center for Ethics, Rights, Economics and Social Sciences of Health der Universitätsklinik Köln diskutierten im Hörsaal der Kinderklinik:

 

  • Beatrice Rodenstock
    Vorstandsmitglied der Stiftung Kinderklinik München Schwabing
  • Prof. Dr. med. Stefan Burdach
    Direktor der Klinik und Chefarzt, Kinderklinik München Schwabing
  • Prof. Dr. med. Wolfgang H. Caselmann
    Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege
  • Dr. med. Tim Guderjahn 
    Kaufmännische Leitung Nord, Städtisches Klinikum München
  • Prof. Dr. med. Peter Henningsen 
    Dekan der Fakultät für Medizin, Vorstand des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München
     
  • Moderation Andrea Lauterbach 
    Bayerischer Rundfunk  

Dabei verteidigte Prof. Caselmann im Namen der Bayerischen Staatsregierung das aktuelle Finanzierungsystem der Krankenhäuser. Es gelte für alle und sei transparent. Gleichzeitig stelle es ein lernendes System dar, das jedes Jahr überprüft und korrigiert werde. So könnten in der Regel alle dringenden und wichtigen Anpassungen vorgenommen werden.

Dem widersprach in Teilen Prof. Burdach: die Folgen der Ökonomisierung träfen heute vor allem die Universitäts-Kliniken. Das lernende System, von dem Caselmann gesprochen habe, basiere auf einer Durchschnittskalkulation, die der einzelnen Klinik bei weitem nicht immer gerecht werde, und das daher auch nicht zukunftsfähig sei. Bereits heute seien Kliniken auf die externe Unterstützung angewiesen, um bestehende Finanzierungslücken bei ganz konkreten Bedarfen zu schließen. Ein Beispiel dafür sei die Stiftung Kinderklinik Schwabing, für deren Unterstützung sich der Klinik-Chef sehr dankbar zeigte.

Der kaufmännische Leiter Dr. Guderjahn bestätigte die bestehenden Finanzierungslücken und zwar "obwohl wir sehr sorgsam mit unseren Mitteln umgehen und alle vertretbaren Einsparpotenziale nutzen."

Prof. Caselmann entgegnete, dass es bei Finanzierungsfragen im Gesundheitssystem immer nur zwei Möglichkeiten gebe: entweder komme es zu einer Umverteilung zwischen den Leistungserbringern oder man erhöhe für die Versicherten die Beiträge. Beides sei mit erheblichen Problemen und Widerständen verbunden.

Dass die Pädiatrie im Vergleich zu anderen medizinischen Fachrichtungen, etwa der Kardiologie, grundsätzlich unterfinanziert ist, darüber waren sich alle am Podium einig. Prof. Henningsen betonte, dass sich Investitionen in die Pädiatrie stets für alle medizinischen Bereiche auszahlten - dafür gebe es allerdings noch überall nicht genügend Bewusstsein. Es sei wichtig, die Attraktivität dieser Fachausbildung gerade auch bei Studenten aufrecht zu erhalten und zu fördern.

Auch die Kinderklinik Schwabing kämpft seit Jahren mit dem Nachwuchsmangel - weniger bei jungen Ärzten, dafür umso mehr bei Pflegekräften. Das größte Problem ist die Wohnungslage in München. Dieses Problem anzugehen, sei eigentlich Aufgabe der Politik, wie Frau Rodenstock betonte, doch man brauche für die Klinik jetzt schnelle Lösungen. Deshalb werde sich die Stiftung mit aller Kraft auf diesem Feld engagieren.

Dr. Guderjahn zeigte sich dafür sehr dankbar und versprach, dass die Klinik das Ihre beitragen werde, etwa durch Festeinstellung des Pflegepersonals, das bisher zum Teil leihweise tätig sei. Auch Prof. Caselmann versprach Unterstützung von Seiten der Staatsregierung: die Tarifsteigerung für Pflegekräfte, die dieses Jahr vereinbart wurde sowie eine weitgehende Tarifangleichung, werteten den Pflegeberuf auch finanziell etwas auf.

Nach all den finanziellen Fragen war es an Frau Rodenstock, daran zu erinnern, dass es bei der Kindermedizin immer um die kleinsten Patienten gehe und es darauf ankomme, diese ebenso professionell wie fürsorglich zu betreuen. Das gelte auch für die Eltern, für die die Stiftung ein Elternhaus plane. Sie sprach damit Klinikchef Prof. Burdach aus dem Herzen, der dem "tollen, engagierten und motivierten Team" dankte.

 

Die Podiumsdiskussion fand statt im Rahmen eines ganztägigen Pädiatrie-Symposiums zum 150. Jubiläum der Technischen Universität München: "150 Jahre Kinderheilkunde: Von Säuglingssterblichkeit zu kurativer Medizin."

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